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                                    Leichterer Zugang zu den Toiletten war dann auch ein Anlass daf%u00fcr, die Grundform der Personenwagen zu %u00fcberdenken. Man ersann verschiedene M%u00f6glichkeiten, Aborte darin zu integrieren. Diese waren teils nach Geschlecht und Wagenklasse getrennt. Aus Schamgef%u00fchl wurden sie allerdings gemieden, da sie sich nur unter den Blicken der Mitreisenden aufsuchen lie%u00dfen. Neue Reisezugwagen mit Seitengang seien die L%u00f6sung, empfahl ein Bahnarzt 1896. Sp%u00e4testens ab dieser Zeit etablierte sich die Fallrohrtoilette in allen g%u00e4ngigen Wagentypen und geh%u00f6rte bis nach der Wende zum Alltag, sowohl bei der Reichsbahn der DDR als auch bei der Deutschen Bundesbahn. Ausstellungsbesuchende ab 40 Jahre kennen diese lustigen Latrinen noch von eigenen Reisen, als ein Blick ins Klo die dahinsausenden Schienen offenbarte. %u201eUnd daran erinnere ich mich auch!%u201c, sagt ein Mann und zeigt auf ein Schild, das die %u201eNutzung des Aborts in den Stationen%u201c untersagte %u2013 damit Bahnh%u00f6fe nicht zu %u00fcbelriechenden Kloaken wurden.Die Bewohner einer Wohnsiedlung an der Eisenbahnbr%u00fccke Hochdonn in Schleswig-Holstein konnten ein Lied davon singen. Dort landeten solche Mengen an F%u00e4kalien und benutztem Toilettenpapier aus den Fallrohrtoiletten der Bundesbahn, dass die Br%u00fccke %u00fcberregional bekannt wurde. Ein Betroffener sammelte die Hinterlassenschaften regelm%u00e4%u00dfig in seinem Vorgarten auf und verklagte erbost die Bahn. 1995 gewann er den Zivilprozess. Die DB musste daraufhin ihre WCs auf geschlossene Systeme umstellen. Bei der Vakuum-Toilette, wie sie heute %u00fcblich ist, werden die Hinterlassenschaften nicht mehr in die Landschaft hinausgesp%u00fclt, sondern abgesaugt. Sie landen in einem Sammeltank, der alle paar Tage entleert wird.Der Niedergang des Fallrohr-Aborts hatte noch einen weiteren Grund. Diese Latrine war absolut ungeeignet f%u00fcr Hochgeschwindigkeitsz%u00fcge, die ab Ende der 1980er-Jahre vermehrt aufkamen. Insbesondere beim Durchfahren von Tunneln l%u00f6sten sie starke Druckwellen aus. Druckert%u00fcchtigte Fahrzeuge d%u00e4mpften die heftigen Druckschwankungen f%u00fcr den Komfort der Reisenden. Eine der Voraussetzungen waren geschlossene Toiletten. Denn bei offenen Aborten w%u00fcrden die F%u00e4kalien aufgrund des Drucks nicht auf das Gleisbett fallen, sondern in die Kabine hochgedr%u00fcckt. Da m%u00f6chte man nicht gerade auf dem WC sein.28 Deutsche Bahn Stiftung | Menschen24DB MUSEUM %u2013 ZUGTOILETTEN
                                
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